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Neues Erbrecht seit dem 1.1.2010
Für alle Erbfälle ab dem 1.1.2010 gilt ein neues Erbrecht. Die
Neuregelung reagiert auf geänderte gesellschaftliche
Rahmenbedingungen und Wertvorstellungen. Modernisiert wurde vor allem das
Pflichtteilsrecht, also die gesetzliche Mindestbeteiligung naher Angehöriger
am Erbe. Nachfolgend möchten wir die wichtigsten Änderungen kurz
darstellen:
Berücksichtigung von Pflegeleistungen: Bisher gab es
erbrechtliche Ausgleichsansprüche nur für Abkömmlinge, die
unter Verzicht auf eigenes berufliches Einkommen den Erblasser über längere
Zeit gepflegt haben. Mit Inkrafttreten des neuen Erbrechts entsteht dieser
Anspruch unabhängig davon, ob der Erbe für die Pflegeleistungen
auf eigenes berufliches Einkommen verzichtet hat.
Beispiel: Die verwitwete Erblasserin wird über lange Zeit von
ihrer berufstätigen Tochter gepflegt. Der Sohn kümmert sich
nicht um sie. Die Erblasserin stirbt, ohne ein Testament hinterlassen zu
haben. Der Nachlass beträgt 100.000 . Die Pflegeleistungen sind
mit 20.000 zu bewerten. Nach altem Recht erben Sohn und Tochter je
zur Hälfte. Nach dem neuen Erbrecht kann die Schwester einen
Ausgleich für ihre Pflegeleistungen aus dem Nachlass verlangen. Von
dem Nachlass wird zunächst der Ausgleichsbetrag abgezogen und der
Rest nach der Erbquote verteilt (100.000-20.000 = 80.000). Von den 80.000
erhalten beide die Hälfte, die Schwester zusätzlich den
Ausgleichsbetrag von 20.000 . Im Ergebnis erhält die Schwester
also 60.000 , der Bruder 40.000 .
Entziehung des Pflichtteils/Enterbung: Durch das Pflichtteilsrecht
werden Abkömmlinge oder Eltern sowie Ehegatten und Lebenspartner auch
dann am Nachlass beteiligt, wenn der Erblasser sie durch Testament oder
Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausschließt. Der
Pflichtteil besteht in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Seine Höhe
bleibt durch die Neuerungen unverändert. Mit der Reform des Erbrechts
wird aber die Testierfreiheit des Erblassers gestärkt.
Dementsprechend wurden die Gründe überarbeitet, die den
Erblasser berechtigen, den Pflichtteil zu entziehen:
- Die Entziehungsgründe werden vereinheitlicht, indem sie für
Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten oder Lebenspartner gleichermaßen
Anwendung finden.
- Darüber hinaus werden alle Personen geschützt, die dem
Erblasser ähnlich wie ein Ehegatte, Lebenspartner oder Kind
nahestehen, z. B. Stief- und Pflegekinder. Eine Pflichtteilsentziehung
ist auch dann möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte diesen
Personen nach dem Leben trachtet oder ihnen gegenüber sonst eine
schwere Straftat begeht.
Beispiel: Wird der langjährige Lebensgefährte der
Erblasserin durch ihren Sohn getötet oder die Tochter des
Erblassers durch seinen Sohn körperlich schwer misshandelt,
rechtfertigt dies künftig eine Entziehung des Pflichtteils.
- Der Entziehungsgrund des "ehrlosen und unsittlichen
Lebenswandels" entfällt. Stattdessen berechtigt nun eine
rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens
einem Jahr ohne Bewährung zur Entziehung des Pflichtteils, wenn es
deshalb dem Erblasser unzumutbar ist, dem Verurteilten seinen
Pflichtteil zu belassen. Gleiches gilt bei Straftaten, die im Zustand
der Schuldunfähigkeit begangen wurden.
Pflichtteilsergänzungsanspruch: Vor Inkrafttreten des neuen
Erbrechts wurden Schenkungen innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall in
voller Höhe berücksichtigt. Waren hingegen seit einer Schenkung
bereits 10 Jahre verstrichen, blieb die Schenkung vollständig unberücksichtigt.
Dies galt auch dann, wenn der Erblasser nur einen Tag vor Ablauf der Frist
starb.
Die Neuregelungen sehen nun vor, dass eine Schenkung für die
Berechnung des Ergänzungsanspruchs immer weniger Berücksichtigung
findet, je länger sie zurück liegt (sog. Abschmelzungsmodell).
So wird nun eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall voll in die
Berechnung einbezogen, im zweiten Jahr wird sie jedoch nur noch zu 9/10,
im dritten Jahr zu 8/10 und dann weiter absteigend berücksichtigt.
Damit reduziert sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch von Jahr zu
Jahr. Auf die in der Praxis häufig üblichen Schenkungen von
Immobilien, bei denen sich der Schenker den Nießbrauch vorbehält,
wirkt sich dieses Abschmelzungsmodell jedoch nicht aus. Die
10-Jahres-Frist beginnt durch den Nießbrauch nicht zu laufen. Das
Gleiche gilt für Schenkungen unter Ehegatten. Hier beginnt die
10-Jahres-Frist erst mit Auflösung der Ehe.
Erweiterung der Stundungsgründe: Grundsätzlich ist die
Auszahlung des Pflichtteils sofort fällig. Bisher hatten nur die
pflichtteilsberechtigten Erben (z. B. Ehegatten, Kinder) die Möglichkeit
der Stundung.
Nun kann jeder Erbe die Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die
sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen
der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre,
insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung
eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für den Erben und seine
Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Bei der Entscheidung über
die Stundung sind aber auch die Interessen des Pflichtteilsberechtigten
angemessen zu berücksichtigen.
Mit dieser Neuregelung soll ein "Zwangsverkauf" der Immobilie
oder des Unternehmens bzw. die Aufnahme eines hohen Darlehens vermieden
werden.
Verjährung von familien- und erbrechtlichen Ansprüchen: Für
familien- und erbrechtliche Ansprüche gilt nun die Regelverjährungspflicht
von 3 Jahren. Dort, wo es sinnvoll ist, gilt jedoch auch in Zukunft eine längere
Frist. So bleibt beispielsweise die Verjährungsfrist von 30 Jahren in
besonderen Ausnahmefällen (z. B. Herausgabeanspruch gegen den
Erbschaftsbesitzer oder den Vorerben) erhalten.
Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
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