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Bundestag verabschiedet Erbrechtsreform
Der Bundestag hat am 2.7.2009 die von der Bundesregierung vorgeschlagene
Reform des Erb- und Verjährungsrechts verabschiedet. Ziel der Reform
ist es, auf neue gesellschaftliche Entwicklungen und geänderte
Wertvorstellungen einzugehen. Die familiäre Verantwortung innerhalb
der Familien, auf der das Pflichtteilsrecht beruht, soll dabei erhalten
bleiben - eine Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass ihrer Eltern kann
grundsätzlich nicht entzogen werden. Zugleich wird die
Testierfreiheit gestärkt, damit jeder Einzelne sein Vermögen
nach seinen Vorstellungen verteilen kann. Die wichtigsten Punkte der
Reform sollen hier kurz aufgezeigt werden:
- Modernisierung bei den Pflichtteilsentziehungsgründen:
Das Pflichtteilsrecht lässt Abkömmlinge, Eltern sowie
Ehegatten und den Lebenspartnern des Erblassers auch dann am Nachlass
teilhaben, wenn sie der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag von
der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Der Pflichtteil besteht in
der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Diese Höhe bleibt durch
die Neuerungen unberührt.
- Ein wesentliches Anliegen der Reform ist die Stärkung der
Testierfreiheit des Erblassers, also seines Rechts, durch Verfügung
von Todes wegen über seinen Nachlass zu bestimmen.
Dementsprechend werden die Gründe überarbeitet, die den
Erblasser berechtigen, den Pflichtteil zu entziehen:
Die Entziehungsgründe werden vereinheitlicht, indem sie künftig
für Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten oder Lebenspartner
gleichermaßen Anwendung finden. Bislang gelten insoweit
Unterschiede.
- Darüber hinaus werden künftig alle Personen geschützt,
die dem Erblasser ähnlich wie ein Ehegatte, Lebenspartner oder
Kind nahestehen, z. B. auch Stief- und Pflegekinder. Eine
Pflichtteilsentziehung wird auch dann möglich sein, wenn der
Pflichtteilsberechtigte diesen Personen nach dem Leben trachtet oder
ihnen gegenüber sonst eine schwere Straftat begeht. Nach
derzeitiger Gesetzeslage ist dies nur bei entsprechenden Vorfällen
gegenüber einem viel engeren Personenkreis möglich.
- Der Entziehungsgrund des "ehrlosen und unsittlichen
Lebenswandels" entfällt. Zum einen gilt er derzeit nur für
Abkömmlinge, nicht aber für die Entziehung des
Pflichtteils von Eltern und Ehegatten. Zum anderen hat er sich als
zu unbestimmt erwiesen. Stattdessen wird künftig eine rechtskräftige
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne
Bewährung zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen. Zusätzlich
muss es dem Erblasser unzumutbar sein, dem Verurteilten seinen
Pflichtteil zu belassen. Gleiches soll bei Straftaten gelten, die im
Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden.
- Maßvolle Erweiterung der Stundungsgründe: Besteht
das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem Eigenheim
oder einem Unternehmen, müssen die Erben diese Vermögenswerte
oft nach dem Tod des Erblassers verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen
zu können. Lösung bietet hier die bereits geltende
Stundungsregelung, die jedoch derzeit sehr eng ausgestaltet und nur dem
pflichtteilsberechtigten Erben (insbes. Abkömmling, Ehegatte) eröffnet
ist. Die Reform erleichtert die Voraussetzungen für die Stundung
und ferner wird sie für jeden Erben durchsetzbar sein.
Beispiel: In Zukunft kann auch der Neffe, der ein Unternehmen
geerbt hat oder die Lebensgefährtin des Erblassers eine Stundung
gegenüber den pflichtteilsberechtigten Kindern geltend machen,
sofern die Erfüllung des Pflichtteils eine "unbillige Härte"
darstellen würde.
- Gleitende Ausschlussfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch:
Schenkungen des Erblassers können zu einem Anspruch auf Ergänzung
des Pflichtteils gegen den Erben oder den Beschenkten führen. Durch
diesen Anspruch wird der Pflichtteilsberechtigte so gestellt, als ob die
Schenkung nicht erfolgt und damit das Vermögen des Erblassers durch
die Schenkung nicht verringert worden wäre. Die Schenkung wird in
voller Höhe berücksichtigt. Sind seit der Schenkung allerdings
10 Jahre verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Dies
gilt auch, wenn der Erblasser nur einen Tag nach Ablauf der Frist
stirbt.
Die Reform sieht nun vor, dass die Schenkung für die Berechnung des
Ergänzungsanspruchs graduell immer weniger Berücksichtigung
findet, je länger sie zurückliegt: Eine Schenkung im ersten
Jahr vor dem Erbfall wird demnach voll in die Berechnung einbezogen, im
zweiten Jahr jedoch nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. berücksichtigt.
Damit wird sowohl dem Erben als auch dem Beschenkten mehr
Planungssicherheit eingeräumt.
- Bessere Honorierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich:
Ein wichtiger Punkt bei der Refom ist die bessere Berücksichtigung
von Pflegeleistungen bei der Erbauseinandersetzung. Zwei Drittel aller
Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt, über die
finanzielle Seite wird dabei selten gesprochen. Trifft der Erblasser
auch in seinem Testament keine Ausgleichsregelung, geht der pflegende
Angehörige heute oftmals leer aus. Erbrechtliche Ausgleichsansprüche
gibt es nur für einen Abkömmling, der unter Verzicht auf
berufliches Einkommen den Erblasser über längere Zeit gepflegt
hat. Künftig soll der Anspruch unabhängig davon sein, ob für
die Pflegeleistungen auf ein eigenes berufliches Einkommen verzichtet
wurde.
Beispiel: Die verwitwete Erblasserin wird über lange Zeit von ihrer
berufstätigen Tochter gepflegt. Der Sohn kümmert sich nicht.
Die Erblasserin stirbt, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Der
Nachlass beträgt 100.000 Die Pflegeleistungen sind mit
20.000 zu bewerten. Derzeit erben Sohn und Tochter je zur Hälfte.
Künftig kann die Schwester einen Ausgleich für ihre
Pflegeleistungen verlangen. Von dem Nachlass wird zugunsten der
Schwester der Ausgleichsbetrag abgezogen und der Rest nach der Erbquote
verteilt (100.000 - 20.000 = 80.000). Von den 80.000 erhalten
beide die Hälfte, die Schwester zusätzlich den
Ausgleichsbetrag von 20.000 Im Ergebnis erhält die Schwester
also 60.000 .
- Abkürzung der Verjährung von familien- und
erbrechtlichen Ansprüchen: Änderungsbedarf hat sich auch
im Verjährungsrecht ergeben. Mit dem Gesetz wird die Verjährung
von familien- und erbrechtlichen Ansprüchen an die Verjährungsvorschriften
des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes von 2001 angepasst. Diese sehen
eine Regelverjährung von drei Jahren vor. Dagegen unterliegen die
familien- und erbrechtlichen Ansprüche noch immer einer Sonderverjährung
von 30 Jahren, von denen das Gesetz zahlreiche Ausnahmen macht. Dies führt
zu Wertungswidersprüchen in der Praxis und bereitet Schwierigkeiten
bei der Abwicklung der betroffenen Rechtsverhältnisse. Die Verjährung
familien- und erbrechtlicher Ansprüche wird daher der Regelverjährung
von 3 Jahren angepasst. Dort, wo es sinnvoll ist, bleibt jedoch die
lange Verjährung erhalten.
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